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Die Stadt der Blinden von José Saramago

Cover des Buches zur Kritik von Die Stadt der Blinden
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Cover des Buches zur Kritik von Die Stadt der Blinden
Buchkritik zu „Die Stadt der Blinden“

Aus dem Nichts wird der namenlose Autofahrer beim warten auf den Farbwechsel einer Ampel blind. Einfach so.

Der liebenswürdige Fremde, der ihn nach Hause fährt (und anschließend gleich noch seinen Wagen stiehlt ist der zweite.

Der Dritte der Augenarzt, der dem ersten Blinden nicht zu helfen vermag.

Nummer vier und fünf warteten nur auf die Behandlung in der Praxis des Augenarztes, als sie die Blindheit brutal traf.

Die Behörden wissen sich nicht anders zu helfen, als die immer größer werdende Zahl von Kranken zu internieren.

In einer ehemaligen Irrenanstalt werden sie wie Vieh zusammengetrieben.

Mahlzeiten gibt es drei mal am Tag, Hygieneartikel ebenfalls.

Medizinische Versorgung ist nicht vorgesehen, erschossen wird, wer versucht das Gelände zu verlassen.

Es kommt wie es kommen muss, das Lager ist blitzschnell überfüllt, die dünne Tünche der Zivilisation platzt erst auf, dann geht sie ab.

Chaos, Not und Verzweiflung greifen um sich.

Am schlimmsten trifft es die Ehefrau von Opfer Nummer drei.

In der allgemeinen Not ließ sie sich aus Liebe mit internieren.

DOCH SIE KANN SEHEN!!!

Den Leser erwartet bei „Die Stadt der Blinden“ so einiges.

Nicht nur die Härte des Themas beleuchtet Autor Saramago von allen Seiten und Aspekten ausführlich aus, was schon ein bedrückendes Gefühl an sich verursacht.

Hinzu kommt als Stilmittel die Vermeidung von Namen, sowie von Beschreibungen der Protagonisten.

Über keine der Figuren wird etwas detailliertes berichtet.

Dick, dünn, groß, klein, blond oder schwarz – alles bleibt nebulös.

Das ließe sich natürlich damit erklären, dass die Insassen schließlich nichts sehen können.

Wäre es da nicht unpassend zu erwähnen, dass ein 175 cm großer, muskelbepackter Klavierlehrer mit auffälligen Gesichtstattoos, Glubschaugen, Hakennase und großem Buckel?

Meiner Meinung nach ja, da diese Äußerlichkeiten in einer Zeit der um sich greifenden Blindheit keine Rolle spielen.

Natürlich schränkt sich der Autor dadurch enorm in seiner Erzählkunst ein, zumal mit der einzig sehenden ja jemand inhaftiert ist, die mit Glubschauge oder Buckel als Erkennungsmal etwas anfangen könnte.

Auf schwierig zu lesende, jedoch sehr konsequente Weise zieht Saramago diesen ungewöhnlichen Erzählstil durch, wobei die Dramatik der Geschichte einen ganz eigenen Sog entwickelt, der sich immer mehr entfaltet.

Ist dieser Aspekt des Lesens noch „nur“ schwierig, verweigert sich der Autor auch noch bis zur letzten Konsequenz der wörtlichen Rede.

In endlosen Bandwurmsätzen, teils reicht einer über eine halbe, bis dreiviertel Seite wird das Geschehen zusammengefasst.

Statt Doppelpunkt/Anführungsstriche wörtliche Rede folgend, gibt es so was wie den folgenden Satz

Der Blinde rief Ruhe, alle miteinander, Ruhe, und wenn es jemand wagt zu sprechen, dann schieße ich sofort, egal, wen es trifft, und dann beklagt euch hinterher nicht.

Oder

Der mit der Pistole fuhr fort, Es ist bekanntgegeben worden, und es gibt kein Zurück, dass wir ab jetzt über das Essen bestimmen werden, alle sind benachrichtigt worden, und es soll mir niemand auf die Idee kommen, das Essen draußen zu holen wir werden Wachposten an diesen Eingang stellen, und jeder Versuch, gegen die Anweisung zu verstoßen, wird Konsequenzen haben, dass Essen wird jetzt verkauft, wer essen will bezahlt, Wie sollen wir bezahlen, fragte die Frau des Arztes, Ich habe gesagt, es soll niemand reden, brüllte der mit der Pistole und fuchtelte mit seiner Waffe vor ihr herum…

Das zweite ist ein einziger Satz, der sich noch über eine halbe Seite Taschenbuch streckt.

Als drittes werden dem Leser auch noch Absätze verweigert, was denn vollends erschwert den Text in seiner unbestreitbaren Schönheit wahrzunehmen.

Denn viele der Wortkompositionen, der Gedankenspiele, denen sich der Nobelpreisträger von 1998 hingibt, sind einfach nur als traumhaft schön zu bezeichnen.

Ein feiner, nicht unanstrengender Wortakrobat.

Meiner Meinung nach ist „Die Stadt der Blinden“ ein Stück schweres, jedoch unbedingt lesenswertes Meisterwerk!

Faszinierend, grauenerregend!

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